Am 8. Juli 2023 traf sich Prof. Zbigniew Anthony Kruszewski (geb. 1928) aus El Paso/Warschau in der Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte (JBS) Golm auf der Insel Usedom mit jungen Menschen aus Polen, Deutschland und Israel.
Der Austausch fand vom 6. bis 13. Juli 2023 statt. Im Rahmen des Projektes waren junge Menschen auf den Spuren jüdischer Familien, die ehemals die deutsche Stadt Swinemünde bewohnten. Seit Oktober 1945 trägt die Stadt den polnischen Namen – Świnoujście. Projektkoordinator Dr. Robert Kreibig von dem mecklenburgischen Verein Land und Leute e. V. beschäftigt sich seit Langem mit dem Thema der deutschen Juden aus Mecklenburg-Vorpommern. Seine riesige Archivsammlung ermöglichte es, mehr über die Geschichte der Familien zu erfahren. Sein Wissen trug dazu bei, die Orte zu sehen, an denen diese Menschen lebten und ihre Berufe ausübten. Bedauerlicherweise kam es nach der Machtübernahme der Nazis im Jahr 1933 zur Deportation pommerscher Juden in der Nacht vom 12. auf den 13. Februar 1940 in die Ghettos im Osten Polens (einschließlich Piaski, Bełżce und Głusk) sowie in deutsche Konzentrationslager (Sobibόr und Theresienstadt).
Zbigniew Anthony Kruszewski feierte kürzlich mit Freunden aus Stettin seinen 95. Geburtstag und besuchte unsere JBS, um seine Erfahrungen mit jungen Menschen zu teilen. Der Professor, ein Warschauer, war Zeuge des Verlaufs des Zweiten Weltkriegs in der polnischen Hauptstadt sowie der Entstehung des größten Ghettos Europas und seiner Auflösung im Jahr 1943. Er wohnte nur 400 Meter vom Warschauer Ghetto entfernt. Seine polnischen und jüdischen Freunde starben vor seinen Augen. Als Teilnehmer des Warschauer Aufstands gehörte er zu den „Grauen Reihen“ (polnische Pfadfinder-Formation) und agierte unter dem Pseudonym „Jowisz“. Er überlebte diese Zeit wie durch ein Wunder. Als er mit geheimen Befehlen des Kommandeurs der Heimatarmee (AK) eine 5 Kilometer langen Strecke durch die Kanalisation zurückgelegt hatte, traf er im Warschauer Stadtteil Wilanów auf einen Wehrmacht-Soldaten. Dieser sagte ihm, er solle fliehen. Seine Mutter kam ins KZ Ravensbrück und wurde dort ermordet. Seine Großmutter wurde in einem Altersheim lebendig verbrannt. Er selbst landete im Konzentrationslagern in Neuengamme und im Kriegsgefangenenlager Sandbostel. Anschließend kam er zur 1. Panzerdivision von General Maczek. Da er nicht in das nun kommunistische Polen zurückkehren wollte, floh er zum 2. Polnischen Korps nach Italien. Im Jahre 1952 wanderte er schließlich über London in die USA aus, promovierte an der Universität in Chicago und erhielt eine Professur in El Paso/Texas.
In den 1990er Jahren war er Vize-Präsident des Polnisch-Amerikanischen Kongresses und Politikwissenschaftler an der Universität in Chicago, New York (SUNY) und El Paso. Er gilt als Experte für das polnisch-deutsche Grenzgebiet. Kruszewski promovierte über die Oder-Neiße-Grenze. Mit seinem Leben bezeugt er die Notwendigkeit, Grenzen zwischen Menschen und Nationen einzureißen, um Brücken zwischen ihnen zu bauen. Vieles mehr über ihm lesen Sie im Buch „Leben im Grenzland“ von Prof. Beata Halicka von der Universität Adam Mickiewicz in Posen. Die Biografie wurde in polnischer und englischer Sprache veröffentlicht.
Professor Kruszewski verbrachte das ganze Wochenende auf unserer Insel. Für ihn war es fast eine Reise in die Vergangenheit. Er äußerte sich interessiert und mit großer Wertschätzung zu den aktuellen Veränderungen, die er auf dem Abschnitt zwischen Stettin und Swinemünde wahrnahm. Er bewunderte den Bau der Straße S3, den neu eröffneten Tunnel und die Entwicklung der Stadt Świnoujście. Die Veränderungen zu seinem ersten Besuch der Stadt Ende der 1950er Jahre sind enorm. Das letzte Mal besuchte er Świnoujście vor drei Jahren. Er war an allen 3 Grenzpunkten, in den benachbarten Dörfern und allen Kaiser-Bädern, in Swinemünde an der Promenade und im Stadtzentrum. Am Sonntag reiste er mit dem Direktzug nach Warschau ab, wo er bald am Gedenktag des Warschauer Aufstands teilnehmen wird. Das Team der JBS Golm wünscht dem Professor Kruszewski viel Gesundheit und hofft auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr.